Offizielle Vorstellung des Xpeng G9
Letzte Woche war es soweit. Xpeng stellte offziell den G9, das Flaggschiff-eSUV vor. Der in unmittelbarer Nachbarschaft der e-engine-Redaktion geparkte G9-Erlkönig ist seitdem verschwunden. Bei der Präsentation wurde eines schnell klar: das chinesische Start-up will ganz nach oben und Preis-Leistung steht dabei an erster Stelle.
Unterwegs in Guangzhou mit dem Xpeng G9-Flaggschiff mit 551 PS.
eSUV der Superlative
Die Vorstellung im Internet war bestens vorbereitet. Vor allem haben die Chinesen eines verstanden: man sollte sich nicht selbst auf die Schulter klopfen, sondern das ganz einfach andere für sich erledigen lassen. Und genau das haben sie hervorragend gemacht und chinesische Medien wie GeekNEV den G9 vorab testen lassen.
Einstieg ab rund 45.000 Euro
Aber der Reihe nach. Der Xpeng G9 ist ein stattliches SUV, das in der High-End-Version in China ab 469.000 RMB zu haben ist. Beim derzeitigen Euro-Kurs sprechen wir dabei von 67.900 Euro. Das ist für ein Fahrzeug mit diesen Eigenschaften in der Tat ein Schnäppchenpreis. Wie bitte? Schnäppchenpreis? Ja, denn der scheidende Mercedes EQC 400 kostet ungefähr genau so viel, spielt aber nicht in der selben Liga. Die Preise starten für die RWD-Version bereits bei umgerechnet 44.740 Euro.
Aufgeräumtes geschmackvolles Interieur, hochwertige Verarbeitung: Nichts wirkt hier „billig“.
Wo Xpeng die Konkurrenz verortet
Kommt immer darauf an, was man für diese knapp 70.000 Euro bekommt, und wer damit vergleichbar ist. Teslas Model Y liegt zwar in einer ähnlichen Preisklasse, wird von den Chinesen aber sehr selbstbewußt nicht als Konkurrent angesehen. Die Verarbeitung, das Interieur, die Ladetechnologien – beinahe überall spielt der G9 in einer Liga darüber. Und die wurde sogar in der Präsentation indirekt benannt: die deutschen Premium-OEMs, speziell Mercedes-Benz, werden als der Benchmark betrachtet, den es in Punkto Komfort, Infotainment und Technologie zu toppen gilt. Vergleiche mit dem Flaggschiff der Stuttgarter, mit dem Maybach-SUV, zeigen, dass der Fahrkomfort und die entspannte „Stille“ im Fahrbetrieb absolut vergleichbar sind.
Innengeräusch im Vergleich zum Maybach GLS, der als Benchmark gilt. Unten: Ladekurve beim normalen Lader im Vergleich zum Model Y.
Ideen? Na sicher!
Gute Ideen werden auch bei den Chinesen anerkannt. Da gibt es zum Beispiel die „Easy-Load“-Funktion, die bei Fahrzeuge mit Luftfederung das Heck einfach um 10 cm nach unten fahren lässt um das Beladen zu vereinfachen. Convenience ist an allen Ecken und Enden sichtbar – dazu gehört auch die obligatorische Zuziehhilfe an allen Türen beim Top-Modell.
Natürlich arbeitet man auch bei Xpeng mit Noise-Cancelling-Technologie, die dafür sorgt, dass Außengeräusche noch mehr gedämpft werden. Das Infotainmentsystem ist übrigens von Dynaudio, den ehemals dänischen High-End-Spezialisten im HiFi-Bereich. Die wurden vor ein paar Jahren von einem chinesischen Unternehmen übernommen.
Die ADAS-Technologien und Vorbereitung für autonomes Fahren werden dabei von zwei NVIDIA-Drive Orin-Prozessoren gesteuert, die zusammen tatsächlich über 508 TOPS Rechenleistung verfügen. Neben Kameras, Radar und Ultraschall-Sensoren sind unterhalb den Frontscheinwerfern zwei der modernsten LiDAR-Sensoren eingebaut, die es momentan gibt. Das alles soll sicherstellen, dass der G9 für die Zukunft durch OTA-Updates bestens für digitalen Fortschritt gerüstet ist.
LiDAR-Sensoren in den Frontscheinwerfern sollen dank der niedrigen Platzierung weniger tote Winkel haben und 180° abdecken.
Porsche und Mercedes-Benz
Aber das reicht den Chinesen noch lange nicht. Komfort und Infotainment ist das eine, Performance das andere. Xpeng will mit dem G9 vor allem Luxus-Sport-SUVs wie den Porsche Cayenne klar herausfordern. Fahrwerks- wie auch Technologiemäßig. Bei einem Head-to-Head Parcours ließen die Chinesen den G9 gegen den Porsche Cayenne antreten. Auch hier zeigte sich, dass man inzwischen vor Selbstbewußtsein nur so strotzt. Das Flaggschiff der G9-Serie verfügt über Allradantrieb, 551 PS Systemleistung bei einem Drehmoment von 717 Nm und soll den Spurt von 0 auf 100 km/h in 3,9 Sekunden absolvieren. Porsche, das ist allgemein bekannt, brilliert aber auch beim Bremsen – hier gibt Xpeng einen Bremsweg von 34,6 m aus 100 km/h an – der Cayenne absolviert das im Test bei ams in 32,1 m (kalt) und 34 m (warm). Damit ist schon mal eine Einordnung möglich – und da sieht der G9 nicht wirklich schlecht aus.
Batterie, Verbrauch und Co.
Der G9 verfügt über eine 800-Volt-Technologie. Diese Hochvolt-Variante zeichnet sich (theoretisch) durch schnellste Lademöglichkeiten aus. Xpeng lässt den G9 deshalb auch gegen die Model-Y-Konkurrenz antreten. Zwar erwähnt Unternehmens-Boss He Xiaopeng zu keiner Zeit, wie groß die Batterie ist, aber 10 – 80% sollen in rekordverdächtigen 15 Minuten möglich sein. Vorausgesetzt, man verwendet die hauseigenen 480 kW-Charger, die so en passant ebenfalls vorgestellt werden. Hier sind dann tatsächlich 200 km (!) in nur 5 Minuten möglich, je nach Ladestand. Die Ladekurve zeigt dann auch dass der G9 sehr lange eine recht hohe Ladeleistung beibehält. InsideEVs gibt übrigens an, dass es nur eine Batterie-Option gibt. Die Kapazität soll bei 96 kWh liegen. Wer beim Youtube-Beitrag aufmerksam das Display beobachtet, wird sehen, dass der Durchschnittsverbrauch kaum über 17 kWh/100 km hinausgeht. Für ein Fahrzeug dieser Größe wäre das in der Tat sensationell, denn die NEFZ (China)-Reichweite liegt deutlich über 600 Kilometern.
e-engine meint: Wer jetzt den Schuss in den deutschen Management-Etagen noch nicht gehört hat, der sollte sich ernsthaft Sorgen machen. Als die ersten Xpengs vom Band liefen, vor allem der G3, waren die technologischen Finessen noch äußerst dünn gesät. Vor allem hohe Ladeleistungen schienen den Chinesen lange Zeit fremd gewesen zu sein. Aber das rasche Aufholen von Defiziten scheint in der DNA der Chinesen zu liegen. Man will die westlichen Vorbilder so schnell als möglich überholen und macht auch vor Premiumherstellern wie Mercedes-Benz und Porsche nicht Halt. Zwei Jahre haben deshalb auch deutsche Ingenieure hierzulande das Auto verfeinert – vor allem beim Fahrwerk hat man (siehe Testbericht Joyevs) offenbar keine Mühen gescheut.
Auch ist es nicht verwunderlich, dass Xpeng im Reich der Mitte sein eigenes Ladenetz aufbaut. Die S4-Supercharger mit 480 kW sollen bis Ende 2022 an 50 Locations in China zur Verfügung stehen, bis 2025 soll das Netzwerk auf 2.000 Locations angewachsen sein. Teslas Supercharger Netzwerk lässt grüßen. Xpeng sollte bereits 2022 in Deutschland debütieren – jetzt wirds doch 2023. Mit der Vorstellung des G9, der bereits ab Ende 2022 ausgeliefert werden soll, stehen die Chancen bestens, dass man sich bei der Europapremiere nächstes Jahr ein erkleckliches Stück vom Premiumkuchen abschneiden wird. Ein gutes Elektroauto auf die Räder zu stellen scheint allerdings leichter zu sein, als europäische, bzw. deutsche Kunden von der hohen Qualität chinesischer Fahrzeuge zu überzeugen …